Gedankenpost
Gedankenpost Nr. 3
Wertschätzendes Miteinander auf Augenhöhe
Dieses Mal schreibe ich über ein Thema, das wir alle wohl kennen: Wir Menschen und die Kommunikation/das Miteinander ...
Eine der schwierigsten Disziplinen überhaupt in unserem Leben. Ein Tretminenfeld voller Missverständnisse. Wir alle sind geprägt durch Eltern, Bezugspersonen, Lehrer, frühere Freunde usw. und haben unsere Muster und Themen. Der eine fühlt sich persönlich angegriffen, die andere meint, dass egal, was man sagt, eine Erwartung dahintersteckt, die erfüllt werden muss. Die Liste könnte sicher endlos fortgeführt werden.
So manches Mal habe ich schon gedacht: Wenn ich mich entscheiden müsste zwischen Menschen und Tieren - ich würd die Tiere wählen. Sie sind so klar in ihrer Kommunikation, sie werten nicht, nehmen das Gegenüber so an, wie es ist. Egal, ob es groß, klein, dick, dünn, mit oder ohne Behinderung ist. Sie sehen die Seele des Menschen, aber auch seine Muster und Prägungen, die durch ihn wirken, und reagieren unmittelbar darauf. Viele persönliche Animositäten, die ich persönlich bei uns Menschen so unglaublich anstrengend finde, fallen einfach weg. Es ist eine klare, ehrliche, authentische Begegnung zwischen zwei Lebewesen. Kein Drama, nur der Moment. Entgegen vieler Meinungen sind Tiere nicht berechnend, und sie „testen“ auch nicht, wie es leider noch viel zu oft heißt (übrigens „testen“ sie genauso wenig wie auffällige Kinder, beispielsweise). Wenn du das Gefühl hast, dein Tier/Gegenüber „testet“ dich, bedeutet das entweder, dass es in dem Moment selber mit seinen eigenen Themen konfrontiert wird und selbst gerade Orientierung und Halt benötigt. Oder es spürt deine eigene Unklarheit in dir und möchte dich mit seinem Verhalten darauf aufmerksam machen (es spiegelt dich).
Ich denke, über dieses (an sich wunderschöne) Thema der Tier-Mensch-Beziehung könnten noch Seiten gefüllt werden. Nicht nur von mir, sicher auch von allen von euch, die eine Beziehung zu einem Tier haben oder offen für das Thema sind.
Beispiel 1:
Person 1 sitzt am Laptop und arbeitet an
etwas. Sie wirkt konzentriert und ruhig, ganz bei der Sache. Eine
andere Person (Partner, Elternteil, Kollege, ...) kommt in den Raum mit
merkbar aktiver Energie. Sie hat zuvor sehr viel in kurzer Zeit
erledigt, hat vieles im Kopf, gleich muss sie zu einem Termin, und ist
im Aktivitätsmodus. „Ähm, ich hab übrigens xy erreicht, das geht klar“ wirft sie Person 1 zu, und schon ist sie wieder durch die Tür. Das Ganze
dauerte nur wenige Sekunden, und als Person 1 hochschaut und im Moment
außerhalb des Laptops angekommen ist, ist Person 2 schon wieder durch
die Tür. „Ah ok ... sie hat xy erreicht ... äh, worum ging es da
nochmal?“ denkt sich Person 1. Sie war so vertieft in ihre Arbeit und es
ging so schnell, dass sie so schnell gar nicht umswitchen konnte. Sie
muss sich kurz sammeln und den letzten Gedanken am Laptop wiederfinden,
bevor sie wieder konzentriert weitermachen kann.
Person 1 ist in der Küche beschäftigt. Nichts Großes, ein paar Handgriffe. Eine weitere Person kommt vom Einkaufen zurück und verräumt die Lebensmittel. Währenddessen erzählt sie Person 1, wen sie beim Einkaufen alles getroffen hat, was sie für das Abendessen plant und vieles mehr. Person 1 unterbricht ihre Handgriffe und wendet sich Person 2 zu, die jedoch weiter die Einkäufe verräumt und gar nicht wahrnimmt, dass Person 1 sich für das Gespräch geöffnet hat und ihre Tätigkeit ruhen lässt. Sie sieht Person 2 hin- und herlaufen, in die Einkaufstaschen greifen, den Kühlschrank umsortieren, im Smartphone nach Rezepten suchen und vor sich hinreden. Sie wendet sich wieder ihren Tätigkeiten zu und belässt es bei gelegentlichem „M hm ...“ oder „Ah ja?“.
Mei, allein beim Schreiben zieht sich alles in mir zusammen, und doch sind das zwei Beispiele, die stellvertretend für den größten Teil der Kommunikation in unserer Gesellschaft sind. Mich macht das unglaublich traurig, denn es geht dabei so viel verloren:- Begegnung auf Augenhöhe
- Wertschätzung
- echtes Interesse aneinander
- wahres in-Beziehung-Treten
- Gesehenwerden
- und sicher noch vieles mehr
Ich habe die letzten Jahre immer mal wieder in unterschiedlichen Wohnsituationen mit sehr vielen verschiedenen Menschen gelebt, und meine Wahrnehmung diesbezüglich ist sehr fein geworden. Auch wenn manche Situationen für mich durchaus herausfordernd waren (denn auch ich bin auf meinem Weg und komme hier und da an meine Themen), so haben sie mich rückblickend alle auf verschiedenen Ebenen weitergebracht, und ich bin überzeugt, dass es genauso sein sollte.
Wie können wir den Umgang mit anderen Menschen nun also anders gestalten? Respektvoller, feinfühliger, Grenzen wahrender?
Bevor wir in den Moment des Anderen „hineinpoltern“, können wir uns kurz sammeln, auch wenn wir gerade im Aktivitätsmodus sind. Kurz stehenbleiben, Augen schließen, tief durchatmen.
Klopfen, bevor wir verschlossene Türen öffen. Wow, so eine kleine Geste, und so kraftvoll, die vieles verändern kann. Ein so deutliches Zeichen der Wertschätzung und des Respekts. Und glaubt mir, die meisten Menschen sind im ersten Moment vielleicht irritiert oder nehmen es nicht wichtig. Das liegt aber nur daran, dass sie sich selbst viel zu lange nicht wichtig genommen haben, und diese Art von wertschätzendem Umgang schlichtweg nicht kenne.
Wenn wir sehen, dass eine andere Person offenbar konzentriert mit etwas beschäftigt ist, können wir behutsam fragen „Du, ich sehe, dass du gerade beschäftigt bist. Hast du trotzdem einen Moment für mich?“. Glaubt mir, jeder Mensch wird dieses wertschätzende Angebot dankbar annehmen. Die Antwort könnte lauten „Ja, klar“ (weil es für sie gerade kein Problem ist, die Tätigkeit zu unterbrechen, aber sie wird sich dennoch über den entgegengebrachten Respekt freuen). Oder sie sagt „Ähm, grade ist schlecht“ (und bestenfalls noch so etwas wie „... aber in ein paar Minuten bin ich fertig“ oder „... lass mich grad das noch fertig machen, dann habe ich Zeit für dich“). Und das ist dann in Ordnung! Wenn wir nicht gerade akute Zahnschmerzen haben und dringend zum Arzt gefahren werden müssen, dürfen wir warten, bis der andere Zeit für uns hat. Der Austausch, und sei er noch so kurz oder banal, wird um ein vielfaches an Qualität zunehmen, weil beide dann ganz präsent sind. Und nicht gestresst, weil man eigentlich gerade mit der einen Sache beschäftigt ist, aber die andere Person etwas von einem will.
Weitere Formulierungen könnten sein:
„Darf ich dich kurz stören?“
„Hast du grad Zeit für mich?“
„Ich würd gern was besprechen, wann passt es dir?“
„Du wirkst sehr konzentriert, darf ich trotzdem was fragen?“
Daraus ergibt sich eine ganz andere Ebene der Kommunikation und des Miteinanders. Ein offener, wertschätzender Raum entsteht.
Natürlich sind die Beispiele etwas überspitzt dargestellt (wenn auch nicht realitätsfern), und es gibt manchmal auch Abmachungen oder stille Übereinkünfte, wo man weiß, was der andere wann braucht und man nicht jedes Mal fragt „Du, darf ich dich mal kurz stören?“. Aber ich denke, es schadet nicht, immer mal wieder kurz innezuhalten, bevor man aktiv in einen Kontakt geht. Die Welt verändert sich, und auch wir Menschen dürfen eine andere Form der Interaktion kennenlernen und leben. Weg von Egoismus, Ellbogenmentalität und Neid, hin zu einem Miteinander auf Augenhöhe.
Alles Liebe
Britta
Hier kannst du die anderen Ausgaben nachlesen:
Gedankenpost 1: Orte für sich entdecken
Gedankenpost 2: Gefühle wahrhaftig fühlen - Augen auf und durch